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Blog | 24. November 2023
Erfolgsfaktoren im Lebensmittel-E-Commerce
Ein bedeutender Anteil des Lebensmittelhandels findet heute online statt. Nach einem anfänglichen Wachstums- und Investitionsboom durchläuft der Online-Lebensmittelhandel jedoch eine Konsolidierungsphase. Die Anbieter kämpfen um Profitabilität; keinem gelang es bisher, diese nachhaltig aufzuzeigen. So wurde das Unternehmen Gorillas Ende 2022 von Getir gekauft; Bringmeister gab kürzlich die Übernahme durch Knuspr bekannt, Oda stellte den Betrieb nach nur wenigen Monaten wieder ein. Für einen rentablen Lebensmittel-E-Commerce identifiziert das Beratungshaus 4flow vier wichtige Erfolgsfaktoren.
1. Sortimentsbreite und -tiefe bestimmen die Topline
Zur Deckung hoher Lager- und Logistikkosten braucht es hohe Bestellwerte, die maßgeblich von der Sortimentsbreite und -tiefe beeinflusst werden. Online-Supermärkte wie Rewe bieten eine Auswahl von über 15.000 Artikeln; mit einem durchschnittlichen Bestellwert von 85 € wird hier die Gewinnschwelle erreicht. Quick-Commerce-Anbieter wie Gorillas haben mit 1.000-2.000 Artikeln kleinere Sortimente und benötigen einen durchschnittlichen Bestellwert von etwa 40 €, um ihre Kosten zu decken; der tatsächliche Durchschnittswert liegt allerdings bei 30 €. Anbieter von Kochboxen wie Marley Spoon setzen auf genau abgestimmte Zutaten für ausgewählte Rezepte und erzielen mit einem vergleichsweise kleinen Sortiment aus ca. 500 Artikeln einen verhältnismäßig hohen Bestellwert von 45-50 € je Box.
2. Power of cooperation: Mit Partnerschaften zu Beschaffungsvorteilen
Durch Kooperationen mit großen Händlern sichern sich Flink (Rewe) oder Picnic (Edeka) im Gegensatz zu Gorillas oder Bringmeister gute Einkaufskonditionen, die höhere Roherträge und einfache Sortimentserweiterungen ermöglichen. Auch hier sind Kochboxanbieter eine Ausnahme: Sie profitieren von unverarbeiteten Lebensmitteln in der Beschaffung sowie der Kundenbereitschaft, für Rezeptideen einen Aufpreis zu zahlen – auch ohne Handelskooperationen sind so Bruttogewinne deutlich über der Handelsmarge möglich.
3. Beim Distributionszentrum gilt: Size matters
Auch eine effiziente Lagergestaltung ist erfolgsentscheidend: Während Online-Supermärkte und Kochboxanbieter 30-40 Auftragszeilen pro Kunde kommissionieren, erfüllen Quick-Commerce-Anbieter im Schnitt nur 8-10 Auftragszeilen – und tragen bei manuellen Prozessen höhere Lagerkosten pro Auftrag. Online-Supermärkte profitieren dank zentraler Lagerstandorte ab ca. 25.000 Aufträgen pro Woche von Skaleneffekten und Automatisierung – wie bei Knuspr in München, Rewe in Köln sowie Picnic in Oberhausen – mit Kosten von 10-15 € je Auftrag. Im Quick Commerce sind aufgrund kleiner Teams und des Lieferzeitversprechens Kapazitätspuffer in der Kommissionierung nötig, um Spitzen abzudecken – was, im Verhältnis zum Bestellwert, zu höheren Pickkosten von 4-6 € je Auftrag führt. Kochboxanbieter profitieren von der Möglichkeit, zentralisiert mit Teilautomatisierung zu operieren sowie von geglätteten Bestelleingängen.
4. Same day, next day oder next week?
Liefergeschwindigkeit und -frequenz beeinflussen Lieferkosten. Je kürzer der Bestellhorizont eines Kunden, desto weniger Lieferungen können konsolidiert werden – es braucht mehr Kapazitäten und Reserven, um flexibel auf Kundenwünsche zu reagieren. Beim „Milchmann“-Prinzip werden Liefergebiete wenige Male pro Woche angefahren. Zusammen mit dynamischen Lieferungen in der Stadt können Online-Supermärkte so geringe Zustellkosten von 8-9 € in Ballungsräumen sowie im ländlichen Raum erzielen. Quick-Commerce-Unternehmen liefern Waren auf Abruf und haben deutlich höhere Lieferkosten von 5-8 € im Verhältnis zu ihren Einnahmen. Kochboxanbieter profitieren von ihrer langen Vorlaufzeit, die weder „same day“ noch „next day“ ist, von fehlenden Pfand- und Bezahlprozessen und von der simplen Einheit einer Box in der Auslieferung.
Rethink strategy: Der Weg zur Profitabilität
Die Branche steht vor der Aufgabe, Rentabilität und Kundenbedürfnisse in Einklang zu bringen. Erfolgreiche Unternehmen passen sich an und finden innovative Lösungen, um in diesem dynamischen Marktumfeld rentabel zu agieren. Klassische Online-Supermärkte steigern ihre Rentabilität durch Skaleneffekte; im Quick Commerce werden Strategien neu gedacht, Warenkörbe durch Liefergebühren und Mindestbestellmengen erhöht und das 10-Minuten-Lieferversprechen gelockert. Kochbox-Anbieter haben die besten operativen Voraussetzungen, müssen jedoch kontinuierlich in innovative Rezepte und Services investieren.
Dieser Artikel erschien zuerst unter dem Titel „E-Food muss Rentabilität und Kundenbedürfnisse vereinen“ in der Lebensmittelzeitung 44 am 3. November 2023, Seite 30.
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Autoren


Nico Brause
Principal
4flow consulting


Hanka Smiejczak
Vice President
4flow consulting